Unter anderen Umstanden

Von Cordula Flegel

Eine Asylsozialberaterin, eine Integrationsbeauftragte und eine Hebammenpraxis koordinieren ein Betreuungsangebot für geflüchtete Frauen vor und nach der Geburt. Die Frauen können selbst herausfinden, welche Unterstützung sie annehmen möchten.

Ayan
Etwas unvermittelt wirft sich die Hebamme Ute Hickman der Länge nach neben die Wiege auf den Boden, um der jungen Somalierin Ayan zu demonstrieren, wie sie ihren Beckenboden mit einer gymnastischen Übung entspannen kann. Die Zwanzigjährige kichert verhalten und prägt sich ein, was ihr die deutsche Frau auf dem Teppich zu vermitteln versucht.

Ute Hickman spricht so kompetent und ruhig, wie es zu ihrem Beruf gehört. Ayan ist aufmerksam. In diesem Land, dessen Sprache und Regeln sie noch nicht kennt, muss sie auch Abläufe verinnerlichen, die sich ihr nicht sofort erschließen. Zudem ist sie hier in dem als Asylbewerberunterkunft genutzten Gästehaus in Thalham die Gastgeberin.
Vor 26 Tagen kam ihr Baby Maria im Kreiskrankenhaus Agatharied auf die Welt, ihr Mann Hassan war bei der Geburt dabei und auch die 79-jährige ehrenamtliche Helferin und pensionierte Deutschlehrerin Marianne Müller. Thalham liegt 30 Kilometer südlich von München. Die alten Bauernhäuser des Ortes sind gepflegt, der Bus fährt zweimal am Tag, doch die Bewohner und Bewohnerinnen des Gästehauses können per Anhalter in die nahe gelegene Kreisstadt fahren. Hassan ist gerade dort, um Fußball zu spielen.

Ute Hickman zeigt Ayan, wie sie ein Messer mit heißem Wasser aus dem Kocher erwärmen kann, um das Zäpfchen gegen Marias Bauchschmerzen zu halbieren. Ayan trägt eine Winterjacke, obwohl es warm ist im Zimmer und zeigt Ute ihre Kochecke auf dem Balkon. Von hier aus sieht man hellgrüne Trauerweiden und Kuhwiesen, es ist Ende Mai. Vor der Glastür aber hängen Tücher, nur wenig Tageslicht kommt ins Zimmer. Die junge Somalierin wird es 40 Tage lang, so entspricht es der muslimischen Tradition, nicht verlassen, dann organisieren ihr Mann und die Nachbarn ein Fest für sie und das Baby. Bevor Ute Hickman sich verabschiedet, fragt sie Ayan noch, ob sie oft Rückenschmerzen habe. Die Somalierin beklagt, dass sie nicht den Boden fegen kann ohne Schmerzen. Um dafür in die Knie zu gehen, wie es ihr die Hebamme beim letzten Besuch gezeigt hat, tut der Unterleib zu weh.

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