„Man stößt auf eine beklemmende Leere“

Von Till Schmidt

„ Man stößt auf eine beklemmende Leere“

Was ist jüdisch? Caspar Battegay untersucht in seinem Essay „Judentum und Popkultur“ eine Auswahl unterschiedlicher Filme, TV-Serien, Songs und Texte, in denen jüdische Identität auf oft überraschende und spielerische Weise verhandelt wird. Dabei stellt er auch eklatante Unterschiede zwischen USamerikanischen und deutschen popkulturellen Erzeugnissen fest

Herr Battegay, zu Beginn Ihres Essays verweisen Sie auf ein Unbehagen, aus dem heraus das Buch entstanden ist. Inwiefern?

Mein Unbehagen richtet sich zum einen gegen das wissenschaftliche Umfeld, in dem ich als Kulturund Literaturwissenschaftler in den Jüdischen Studien tätig bin, zum anderen gegen das gesellschaftliche, in dem Jüdisches, Jüdisch-Sein und jüdische Identität verhandelt wird. Ich habe immer noch den Eindruck, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im deutschsprachigen Raum zwar sehr differenzierte und gute Forschung betreiben, von den komplexen jüdischen Realitäten aber oft absehen – finden diese nun in Israel, den USA oder in der Bundesrepublik statt. Stattdessen wird oft ein rein historisierender Umgang mit jüdischen Themen gepflegt. So werden etwa Synagogenbauten, in denen niemand mehr betet, oder bestimmte deutsch-jüdische Periodika, die niemand mehr liest, untersucht. Darüber hinaus richtet sich mein Unbehagen gegen Ästhetisierungen des Judentums, wie sie in Klischees vom „Volk des Buches“ oder vom „jüdischen Humor“ zum Ausdruck kommen. Auch erscheint die Wahrnehmung des Judentums in Deutschland häufig auf den Opferstatus oder den Nahostkonflikt beschränkt. In meinem Buch zeige ich indes parodistische Figuren, ambivalente Bilder, unsichere Identitäten und aufgelöste Stereotype, die alle popkulturellen Erzeugnissen im weitesten Sinn entnommen sind. Mir geht es um eine subversive Lust jenseits lieb gewonnener Konformitäten, mit jüdischer Identität umzugehen.

Woody Allen, Lou Reed, Leonard Cohen, die Coen-Brothers oder Sarah Silverman – fast alle Figuren, die Sie in Ihrem Essay als Protagonistinnen und Protagonisten einer solchen subversiv-jüdischen Popkultur thematisieren, sind USamerikanische Jüdinnen und Juden. Warum?

Es gibt einige historische Bedingungen, die gegeben sein mussten, damit die Jüdinnen und Juden in Popkultur eintreten konnten. Einige dieser Bedingungen waren in den 1920er Jahren in Deutschland gegeben, und es gab auch Austauschprozesse zwischen Berlin und den Broadway- und Hollywood-Produktionen der 1940er und 50er Jahre. Ein Beispiel hierfür ist der Filmregisseur und Schauspieler Ernst Lubitsch. Doch erst in den USA konnte sich dank einer signifikanten jüdischen

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