Lebst Du schon?

Von Anna-Katinka Neetzke Svensson

Lebst Du schon?

Asylgruppen Malmö ist eine unabhängige Organisation, die sich seit 1991 für die Rechte von Flüchtlingen einsetzt. Das Projekt Malmö Freistadt kämpft vor allem für die Rechte undokumentierter1 Menschen. Durch das Engagement von Aktivistinnen und Aktivisten ist Malmö zu einem Schutzraum für viele Menschen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung geworden. Im Jahr 2008 hat die Stadt Malmö einen Erlass verabschiedet, der undokumentierten Flüchtlingen ein Recht auf Schule und ärztliche Behandlung einräumt. Asylgruppen Malmö hat es geschafft, ein breites Netzwerk von Privatpersonen aufzustellen, in dem die Bewohner Malmös sich auf verschiedenen Ebenen für die Rechte von Flüchtlingen einsetzen und vielen Jugendlichen helfen, sich für eine gewisse Zeitspanne versteckt zu halten. Eine der Aktivistinnen der Asylgruppen Malmö ist Sara Wåhlin. Ich habe Sara getroffen und sie zur Situation undokumentierter Flüchtlinge und ihrer praktischen Arbeit in der Asylgruppen befragt. Das Interview wurde auf Schwedisch geführt und nachträglich ins Deutsche übersetzt.

Du hast einige Jahre Erfahrung mit der Arbeit von Asylgruppen. Kannst du etwas über die momentane Situation von Flüchtlingen in Schweden beziehungsweise Malmö sagen?

Im Moment sind die unbegleiteten Minderjährigen die größte Gruppe hier. Es kommen viele, und sie sind auch in der öffentlichen Debatte und in den Nachrichten das Thema Nr. 1. Darüber hinaus sind sie auch die „einsamsten“ unter den Flüchtlingen. Die meisten unbegleiteten Minderjährigen dürfen in Schweden bleiben, sofern sie nicht „DublinFälle“ sind, dann haben sie nämlich kein Recht auf einen Asylprozess hier in Schweden. Die einzige Möglichkeit ist, dass sie die Überstellungsfrist von 18 Monaten überbrücken. Hat ein Flüchtling bereits in einem anderen EU-Land Asyl beantragt, hat Schweden vom Tag der Antragsstellung an sechs Monate Zeit, die jeweilige Person in das zuständige EU-Land zu überstellen. Wenn diese nun aber untertaucht, dann verlängert sich die Zeitspanne auf 18 Monate, das heißt dass der Staat dann 18 Monate Zeit hat, die Person ausfindig zu machen und auszuweisen. Es handelt sich also eigentlich nur um ein Recht für Schweden, dass sich die Zeitspanne verlängert. Aber auf der anderen Seite ist es auch ein Recht für den Flüchtling, dass Schweden nach Ablauf der Übernahmefrist verpflichtet ist, den Asylprozess durchzuführen. Asylgruppen hat am meisten Kontakt mit gerade diesen Dublin-Fällen. Die Jugendlichen brauchen Unterstützung mit allem Möglichen wie Wohnraum, finanzielle Unterstützung und Struktur im Alltag.

Und unbegleitete Minderjährige, die nicht Dublin-Fälle sind, bekommen eine Unterkunft gestellt?

Ja, da gibt es Unterkünfte. Sie sind zuerst in einer Erstaufnahmeunterkunft untergebracht. Es ist schwierig für Schweden, unbegleitete Minderjährige abzuschieben, ob es nun nach Afghanistan, Somalia oder in den Irak ist. Aber wenn es sich um Dublin-Fälle handelt, dann ist es etwas anderes. Dann bekommen sie keinen „normalen“ Asylprozess. Wenn sie dann in der Zeit, in der sie versteckt leben, 18 Jahre alt werden, dann sinkt die Chance beträchtlich, dass sie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Vor allem für die Jugendlichen aus Afghanistan. Flüchtlinge aus Somalia haben immer noch relativ gute Chancen, eine direkte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.

Welchen Platz nimmt Asylgruppen in der Flüchtlingsdebatte ein und wie arbeitet ihr praktisch?

Oh, einen sehr großen Platz. Wir übernehmen die Verantwortung, die weder das Migrationsverket 2 , noch das schwedische Sozialamt (Socialtjänst) übernehmen will. Wir sammeln die Trümmer auf, die die offiziellen Behörden mit ihren widerlichen Beschlüssen hinterlassen. Praktisch arbeiten wir dann in sozialen und juristischen Fragen für jugendliche und erwachsene Flüchtlinge.

Wie unterscheidet sich die Unterstützung erwachsener Flüchtlinge von der minderjähriger Flüchtlinge?

Erwachsene Personen haben es oftmals leichter, sich finanziell selbst zu versorgen. Familien mit zwei Erwachsenen können sich gegenseitig unterstützen, und einer von ihnen hat vielleicht sogar die Möglichkeit zu arbeiten. Wir helfen hier aber genauso bei Behördengängen und auf der juristischen Ebene. Unbegleitete Minderjährige dagegen sollten nicht arbeiten müssen, sondern die Möglichkeit bekommen, in die Schule zu gehen.

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