Für eine Handvoll Tomaten

Interview und Übersetzung von Tom Reiss

Campagne in Lotta ist ein im Jahr 2011 gegründetes Netzwerk, das die Koordination und (Selbst-)Organisation von migrantischen Arbeitskräften in der italienischen Landwirtschaft unterstützt; dies insbesondere in den Tomaten- und Zitrus-Hochburgen Foggia und Reggio Calabria. Hinterland hat sich mit Irene Peano, einer Aktivistin von Campagne in Lotta, unterhalten.

Irene, wie ist die Campagne in Lotta entstanden?

Campagne in Lotta ist in erster Linie das Resultat zweier individueller Arbeitskämpfe, die miteinander resonierten. Der erste entwickelte sich im Januar 2010 in Rosarno – einem Dorf in der Gioia Tauro-Ebene, die für ihre Orangenproduktion bekannt ist. Dort waren sehr viele westafrikanische Arbeitskräfte beschäftigt. In dieser Situation brachen Aufstände in Reaktion auf eine Reihe gewalttätiger Angriffe auf afrikanische Lohnabhängige aus – die
Proteste hatten also eine 
klare antirassistische
 Konnotation. Aber es
 handelte sich gleichzeitig
 um einen Streik. Die Orangensaison lief auf Hochtouren. In Folge der 
Proteste wurden einige 
verhaftet und deportiert,
 andere wurden aus Sorge 
um Gegenreaktionen aus Rosarno entfernt. In den Straßen herrschte Bürgerkriegsatmosphäre. Diejenigen, die nach Rom deportiert wurden, fanden Unterschlupf in einem besetzten Gemeinschaftszentrum. Gemeinsam mit den Besetzenden begannen sie eine Protestaktion, die etwa ein Jahr lang andauerte und zu mehreren Bewegungen führte, welche letztendlich Aufenthaltsstatus für die Lohnabhängigen erreichte.

Außerdem begann im Sommer 2011 ein wilder Streik in der Provinz Lecce, wo sehr viele migrantische Arbeitskräfte in den Tomaten- und Wassermelonenernten beschäftigt werden. Dieser Streik wurde von Lohnabhängigen initiiert und von politisch Aktiven unterstützt – letztere bemühten sich um grundlegende Informationsarbeit für Saisonarbeitende, unabhängig von deren Aufenthaltsstatus. Während des Streiks bemerkten viele Unterstützende, wie motiviert die Landarbeiterinnen und Landarbeiter waren, sich an Arbeitskämpfen zu beteiligen. Sie entschlossen sich, unterstützende Strukturen zu schaffen, die bis dato nicht vorhanden waren.

Wie kam es überhaupt zu dieser Situation?

Diese Arbeitskämpfe haben einen sehr komplexen Hintergrund. Man kann sagen, dass der Arbeitskampf migrantischer Landarbeiterinnen und Landarbeiter die antirassistische Bewegung in Italien ausgelöst hat. Das nahm seinen Anfang 1989 in Folge des Mordes an einem südafrikanischen Asylsuchenden, Jerry Masslo, in Villa Literno bei Neapel. Daraufhin entwickelte sich eine massive antirassistische Bewegung, die bis in die 1990er sehr aktiv war. Aber dann wandten sich gemäßigte und sozialdemokratische Teile dieser Bewegung ab. Diese Gruppen waren auch die treibenden Kräfte hinter der Ratifizierung der ersten umfassenden Einwanderungsgesetzgebung im Jahr 1998, mit der verstärkt Zwangslager, Abschiebungen und dergleichen einhergingen.

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