Dublins Tod

Von Kaveh Rostamkhani und Marc Speer

Der„lange Sommer der Migration“ auf dem Balkan ist zugleich Resultat und treibende Kraft hinter etlichen Brüchen. Was passiert, wenn staatliche Kontrollbestrebungen und migrantische Mobilitätsstrategien zusammentreffen und etwas Neues entstehen lassen.

Bruch 1

Am 20. August rief die mazedonische Regierung den Notstand aus. Sie versuchte damit den zuvor über Monate meist tolerierten Grenzübertritt der über Griechenland kommenden Flüchtlinge abrupt zu stoppen. Mit Stacheldraht, Knüppeln und Tränengas. Aber schon drei Tage später ließen Polizei und Militär die Flüchtlinge wieder passieren. Der Plan der Regierung, in einer Art offen ausgetragener Feldschlacht die Kontrolle über die Grenze zurückzugewinnen, scheiterte kläglich. Dies lag zum einen an der Entschlossenheit der Flüchtlinge, zum anderen an der Unmöglichkeit, unter den Augen der Weltpresse über Tage hinweg auf Familien einzuprügeln. Auch Griechenland trug seinen Teil bei, indem tagtäglich neue Flüchtlinge direkt an die Grenze des ungeliebten Nachbarn transportiert wurden. Die mazedonische Regierung hatte fortan die Wahl: Dem Beispiel Ungarns zu folgen und einen massiven Zaun zu errichten, oder aber den Transit durch das eigene Territorium einfach zu tolerieren beziehungsweise sogar noch reibungsloser zu gestalten. Man entschied sich für Letzteres und wurde damit gewissermaßen zum Trendsetter für eine Reihe weiterer Staaten auf der Balkanroute.

Bruch 2

Am anderen Ende der Balkanroute, in Budapest, kümmerten sich schon seit Monaten etliche Fahrer um die schnelle, lautlose Reise nach Österreich, Deutschland oder auch weiter. Aufgrund der grassierenden Armut, insbesondere in ungarischen und rumänischen Dörfern, war es für die Organi- satoren des irregulären Transits nicht sonderlich schwierig, immer neue Fahrer anzuwerben – trotz des erheblichen Risikos: Allein in Bayern sind gegenwärtig 600 von ihnen inhaftiert. Als dann jedoch die österreichische Polizei am 27. August in einem aus Ungarn kommenden Kühlwagen für Hähnchenfleisch 71 Leichen entdeckte, war es damit umgehend vorbei. Durch intensive Polizeikontrollen hatten es die Schlepperinnen und Schlepper deutlich schwerer. In Verbindung mit rigorosen Kontrollen in den abfahrenden Zügen Richtung Westen führte dies dazu, dass sich mehr und mehr Flüchtlinge am Budapester Bahnhof Keleti sammelten. Endstation. Die Situation spitzte sich auch deswegen immer weiter zu, weil aufgrund der einige Tage andauernden Schließung der griechisch-mazedonischen Grenze nun auf einen Schlag mehr Menschen ankamen, als dies in den Tagen zuvor der Fall war.

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