Dancehall ina Germaica

Dancehall ina Germaica

In der international populären Reggae- und Dancehall-Musik tauchen häufig gewalttätige, anti-homosexuelle Texte auf. Die Debatte um Homophobie schwankt zwischen Kulturrelativismus und rassistisch aufgeladener Stigmatisierung.

Seit 2003 gibt es in Nordamerika und Europa immer wieder Anti-Homophobie-Kampagnen gegen die Auftritte von Reggae- und DancehallEntertainer_innen aus Jamaika. Oftmals werden Konzerte aufgrund des öffentlichen Drucks von Organisationen für die Rechte von Lesben, Schwulen und Transsexuellen abgesagt. Hauptakteur_innen auf der internationalen Ebene waren dabei die britische LGBTI1 -Organisation OutRage! und deren Sprecher Peter Tatchell. Sie machten gemeinsam mit der 2003 gestarteten Kampagne „Stop Murder Music“ weltweit auf die anti-homosexuellen Dancehall-Lyrics sowie die gefährlichen Lebensbedingungen von Homo – sexuellen auf der Karibikinsel aufmerksam. Mitgetragen wurde die Kampagne außerdem von J-FLAG (Jamaica Forum for Lesbians, All-Sexuals and Gays), der einzigen jamaikanischen Organisation für die Rechte von Homo-, Bi-, Inter- und Transsexuellen. Da homophobe Einstellungen in der jamaikanischen Bevölkerung weit verbreitet sind, war der Aktions – raum von J-FLAG lange Zeit beschränkt, während OutRage! im Zentrum der medialen Auseinandersetzung stand. Fälschlicherweise wurde so der Eindruck vermittelt, internationale Aktivist_innen würden Jamaikaner_innen ihre Ansichten aufzwingen wollen. Die koloniale Tradition der Homophobie Sänger_innen und Deejays aus Jamaika haben insbesondere in den 1990er-Jahren und zur Jahrtausendwende zahlreiche Lyrics geschrieben und aufgeführt, die sich extrem gewalttätig gegen Homosexualität aussprechen, etwa indem sie die brutale Ermordung von Homosexuellen beschreiben und begrüßen. Die Homophobie in Jamaika hat aber eine erheblich längere historische Tradition. Eine zentrale Rolle spielen dabei der europäische Kolonialismus und die Plantagensklaverei. Jamaika war mehrere Jahrhunderte eine britische Kolonie, in welcher Schwarze Sklav_innen unter unmenschlichen Bedingungen dazu gezwungen wurden, Reichtum für das britische Empire zu erwirtschaften. Das Gesetz gegen Analverkehr, das heute in Jamaika den juristischen Boden für die gesellschaftliche Ausgrenzung insbesondere männlicher Homosexueller schafft, wurde bereits von den britischen Kolonialist_innen verabschiedet. Als Jamaika 1962 unabhängig wurde, blieb es, wie viele andere Erben des Kolonialismus, erhalten. Auf der Insel kam es in den letzten Jahren immer wieder zu tödlichen Übergriffen auf Homosexuelle. Besonders Schwule sowie Männer, die als „verweiblicht“ wahrgenommen werden, sind in der Öffent – lichkeit einer permanenten Bedrohung ausgesetzt. Diskriminierung und soziale Ausgrenzung gehören auch für Lesben zum Alltag. Homosexuelle Frauen werden aber im Gegensatz zu schwulen oder „effeminierten“ Männern kaum als Bedrohung für die Herr schaft des Patriarchats wahrgenommen. Organisationen wie J-FLAG und OutRage! argumentieren, dass die aggressive Ablehnung von Homosexuellen unter anderem durch die homophoben Dancehall-Lyrics aufrechterhalten wird.

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