Alles falsch

Von Anthony Houten

Alles falsch

Im Berliner Verbrecher Verlag ist soeben eine Essaysammlung zu der von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer beschriebenen und kritisierten „Kulturindustrie“ erschienen. Als Einführung in die Sozialphilosophie Adornos ist das Buch nur bedingt geeignet. Empfehlenswert ist es dennoch.

Es ist etwas Wahres daran: Die Veröffentlichung von „Alles falsch. Auf verlorenem Posten gegen die Kulturindustrie“ mag angesichts der Vielfalt an Sekundärliteratur zum Thema tatsächlich ein wenig verwundern. Die Entscheidung, dennoch sechs Texte zur „Kulturindustrie“ in einem eigenen Buch zu versammeln, ist der Annahme geschuldet, dass deren Publikation, so die Herausgeberin und Herausgeber im Vorwort, „andernorts vermutlich versagt geblieben wäre“. Schlechterdings sei es „üblich geworden […], innerhalb der Kulturwaren zu differenzieren, um so deren vermeintliche Freiheitspotentiale zu entdecken“. Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes haben sich indes zum Ziel gesetzt, „die Kulturindustrie als das zu kritisieren, was sie ist: Produkt und zugleich Produzent des falschen Ganzen“.

Adorno-Industrie

Dirk Braunstein schafft es, mit seinem Essay durchaus zu illustrieren, was „Kulturindustrie“ ist, wie sie funktioniert – und zwar ausgerechnet am Beispiel der unzähligen Beiträge in deutschen Feuilletons anlässlich Theodor W. Adornos hundertsten Geburts – tags. „Mit seiner Person haben die trostlosen Feierlichkeiten nichts zu tun, mit seiner Theorie der Kulturindustrie alles“, resümiert Braunstein. „Die Presse mit ihren willigen Helfern aus dem Philosophiegewerbe ist Teil der Kulturindustrie, die jene so gerne in den USA am Werke sehen […]. Im New Yorker Anbruch ist noch die Rede von einer ,AdornoIndustrie’ im Hinblick auf die Vermarktung von Adornos Hundertstem, im Spiegel herrscht dagegen Freude, dass ,neben der offiziellen Geschichte’ die nun in die Öffentlichkeit gerückten Dokumente ,nun auch den privaten Theodor Wiesengrund Adorno’ zeigen. Wird dort Kritik daran geübt, dass die Apparatschiks der Kulturindustrie Adorno schlicht überrannt und gefleddert haben, wird hier ein Einvernehmen darüber hergestellt, dass das Private öffentlich und das Öffentliche, alles, was man Werk nennen könnte, privateste Angelegenheit spinnerter ,Adorniten’ sei.“

Die Vorgeschichte

Isabelle Klasen stellt in ihrem Beitrag einige zentrale theoretische Annahmen Adornos vor und vergleicht sie mit denen Guy Debords, der einige Jahre später ebenso für sich beanspruchte, die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie auf der Höhe der Zeit zu formulieren. Beide Denker trieb das selbe Motiv: eine „,Begierde des Rettens’“, geboren aus der Verzweif – lung an den gegenwärtigen, kapitalistischen Verhältnissen, die den Menschen zur „zweiten Natur“ geworden seien. Solange das Versprechen der Versöhnung von individueller, freier Selbstbestimmung und gesellschaftlichem Ganzen nicht eingelöst ist, befände sich die Menschheit, wie Adorno und auch Debord mit Marx feststellen, noch in der „Vorgeschichte“. Diese „Vorgeschichte“ könne überwunden werden, insofern der von Marx formulierte Imperativ geltend gemacht werde, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. Zwar bestimmen beide Theoretiker die Sphäre der Kultur als den einzig möglichen Ort, von dem aus sich ein solcher grundlegender gesellschaftlicher Umbruch noch denken lässt. Allerdings sei sie in der Phase des „Spätkapitalismus“ im Gegensatz zur liberalen bloßer Ausdruck der kapitalistischen Herrschaft.

(der ganze Artikel im PDF Format)