„Wenn du hier wohnst, wirst du ein trauriger Mann“

Von Mathias Fiedler und Tobias Klaus

„Wenn du hier wohnst, wirst du ein trauriger Mann“

Nach 25 Stunden Busfahrt erreichen wir Sofia, jene Stadt, die uns der Reiseführer als „prachtvolle Hauptstadt Bulgariens“ versprochen hat. Es ist drückend heiß und die Straßen sind voller Menschen. Kurze Zeit später finden wir uns am Boulevard Knjaginja Maria Luisa wieder. Nicht weit voneinander entfernt befinden sich eine Moschee, eine orthodoxe Kirche und eine Synagoge, der Ort wird auch „Dreieck der Toleranz“ genannt. Nach all den sozialistischen Zweckbauten und den oft zu sehenden rechtsradikalen Graffitis beeindruckt uns das. Leider hält dieser Zustand nicht lange an: Wir erfahren, dass faschistische Gruppierungen vor zwei Monaten die Moschee angegriffen haben.

Am Tag darauf sitzen wir in einem Taxi, das uns zum größten Flüchtlingsheim Bulgariens am Stadtrand von Sofia bringen soll. Der Taxifahrer ist ein schmächtiger Mann mittleren Alters, während der 20 Minuten langen Fahrt zum Stadtrand erläutert er seine Vision Bulgariens und berichtet von den Helden der nationalen Befreiungsbewegung des 19. Jahrhunderts. Nach einer Weile hört unsere bulgarische Freundin auf zu übersetzen. Der Taxifahrer führt seinen Monolog unermüdlich weiter und redet sich in Rage. Wir zahlen, steigen in einiger Entfernung vom Flüchtlingslager aus und laufen den Rest zu Fuß.

Das Flüchtlingslager ist in schmutzigem Gelb gestrichen, zwischen den Stockwerken verlaufen zartrote Streifen. Aus einigen Fenstern des Plattenbaus hängen Kleidungsstücke. Vor dem Lager treffen wir Jamal. Er ist groß und hager, hat dunkle Augen und trägt einen Drei-Tage-Bart. Er hat eine offene Art, doch seine Augen wirken müde. Früher hat er hier gelebt, erzählt er. Doch dann hat man ihm gesagt, dass für ihn kein Platz mehr sei. Jamal versteht das nicht, er ist sich sicher, dass auch heute noch Zimmer frei sind in dem großen Gebäude. Zur Zeit wohnt er bei einer Bekannten, doch die ist jetzt schwanger geworden. Er wird bald umziehen müssen, doch er weiß nicht wohin.

Jamal stellt uns seinen Freund Abbas vor, wie Jamal kommt auch er aus dem Irak. Abbas ist keine 30 Jahre alt, er trägt ein eng anliegendes rosafarbenes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Gemeinsam gehen wir in ein kleines Café in der Nähe. Abbas ist vorsichtig, nur schleppend erzählt er seine Geschichte.

Ohne Pass keine Anerkennung als Flüchtling

Bevor er nach Bulgarien kam, war er schon einmal in Europa, in Norwegen. Das war von 2005 bis 2009. Dann wurde er in den Nord-Irak abgeschoben. Er zeigt uns seine Dokumente, wir machen ein Foto davon und unser Blick fällt auf die Notiz, dass die Abschiebung mit einem Frontex-Charter durchgeführt worden ist. „Da waren 35 andere Iraker und sehr viele Polizisten mit im Flugzeug“, sagt Abbas. „Einen Mann haben sie gefesselt hereingetragen. Er hat gerufen, dass er sich umbringen würde, wenn er zurückgebracht wird. Dieser Mann war zuvor zehn Tage in einer dunklen Isolationszelle im GardermoenGefängnis in Oslo gewesen. Dort sei es sehr kalt gewesen, hat der Mann berichtet, und sie hätten ihm die Kleidung abgenommen“, erzählt Abbas. In Bagdad sind sie sofort ins Gefängnis gekommen. Nur wer nachweisen konnte, dass Angehörige ihn aufnehmen würden, wurde freigelassen. Im Irak hat Abbas dann bei der Polizei an der Grenze gearbeitet, doch als er einen Schmuggler verhaftete, gab es Probleme. Er wurde bedroht und bekam Angst. „Nahezu jeder dort hat eine Pistole oder ein Gewehr“, sagt er. Deshalb sei er erneut geflohen.

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