Venezolanische Transformistas lieben

Von Katrin Vogel

Venezolanische Transformistas lieben

Liebe ist für venezolanische Transformistas ein Gefühl und eine Praxis, die sich im Kontext von Familie, Freundschaften und Männern entfaltet. Häufig arbeiten sie als Trans-Prostituierte in Europa, und auch das hat viel mit Liebe zu tun. Die Lebensgeschichten venezolanischer Transformistas erzählen von der Liebe, von der Lust auf Abenteuer, von Diskriminierung und Stigmatisierung auf der Basis von sexueller Orientierung und Gender, von der Hoffnung auf Sozio-ökonomischen Aufstieg und vom Streben nach weiblicher Schönheit. In diesen Dimensionen drückt sich das Selbstverständnis der Transformistas darüber aus, wer sie sind und woher sie kommen, beziehungsweise wer und wo sie sein wollen.

„Wir sind Homosexuelle, verwandelt in weiblich“

Transformistas beschreiben sich aufgrund ihres biologischen Geschlechts als Männer und aufgrund ihrer sexuellen Orientierung als homosexuell. Sie verkörpern hyperweibliche Schönheit, weil sie Männer begehren. Diese und ähnliche Konzeptualisierungen von männlicher Homosexualität existieren in vielen Ländern Lateinamerikas neben dem Euroamerikanischen Verständnis von Homosexualität. Ein Unterschied zwischen den beiden Modellen besteht darin, dass Transformistas gewöhnlich Sex mit Männern haben, die sich als „normal“ oder hetero sexuell identifizieren und die auch gesellschaftlich so kategorisiert werden. Es sind Männer, die eigentlich Frauen begehren. Transformistas dagegen werden als Maricos (dt.: Tunte, Schwuchtel) stigmatisiert.

Die gender-Nonkonformität von Maricos besteht in der sexuellen Orientierung – Heterosexualität ist ein zentraler Aspekt von gender-Konformität – und in Verhaltensweisen, wie zum Beispiel Körpersprache, die als feminin wahrgenommen werden. Innerhalb der Kategorie marico werden jene Männer transformistas genannt, die ihre Körper mittels weiblicher Hormone, kosmetischer Technologien und plastischer Chirurgie weiblich formen. Die Transformation zu Weiblichkeit ist ein Prozess, in dem männlich konnotierte Merkmale wie Körperbehaarung entfernt und körperliche Marker von Weiblichkeit wie Brüste hinzugefügt werden. Sie ist nicht Ausdruck einer weiblichen Geschlechtsidentität, sondern steht im Zusammenhang mit Homosexualität: Transformistas verstehen sich aufgrund ihres biologischen Geschlechts als Männer, die ihre Körper zu Weiblichkeit verwandeln, um auf heterosexuelle Männer attraktiv zu wirken.

Familien und Söhne

Häufig werden Jungen ab einem Alter von vier oder fünf Jahren als homosexuell oder als Maricos kategorisiert, weil sie hegemonialen Vorstellungen von Männlichkeit nicht entsprechen. Cyntia, die heute in Barcelona lebt, erinnert sich an ihre Kindheit in einem Dorf im Westen Venezuelas: „Es zeigte sich schon, dass ich homosexuell sein würde. Weil mich meine Familie nicht akzeptierte, beschloss ich, von zu Hause wegzugehen. Mein größerer Bruder schlug mich und meine Mutter unterstütze ihn darin. Sie dachten, dass ich auf diese Weise hart werden würde, wie man dort sagt, und dass ich so ein echter und aufrechter Mann würde, wie jede Mutter und jeder Vater den Sohn am liebsten hätte. Aber ich war nicht so.“

(der ganze Artikel im PDF Format)