Star Wars

Von Matthias Becker

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Vor knapp vier Jahren kündigte die Kommission der Europäischen Union an, man wolle ein gemeinsames europäisches Grenzüberwachungssystem entwickeln. Dieses European Border Surveillance System (EUROSUR) hat den Zweck, den Mitgliedsstaaten eine „vollständige situative Kenntnis ihrer Außengrenzen“ zu verschaffen.

Es ist bemerkenswert, dass dieses umfassende Grenzüberwachungssystem bereits zuvor und in einem ganz anderen Politikfeld auf den Weg gebracht wurde – nämlich als Teil der europäischen Forschungsförderung. Seit 2007 unterstützt die EU finanziell Projekte, in denen neue Techniken für die Grenzkontrolle entwickelt werden. Das Forschungsprogramm heißt „Sicherheitsforschung“, die Programmlinie „Intelligente Überwachung und Grenzsicherheit“. In diesem Rahmen arbeiten Behörden, Rüstungs- und Informationstechnikkonzerne mit staatlichen Forschungsinstituten zusammen und entwickeln Hightech für die Kontrolle der Schengen-Grenzen.

Software berechnet „Migrationsbewegungen“

Viele dieser Projekte klingen nach Science-Fiction, sind aber ernst gemeint. Da gibt es unbemannte Landroboter, die demnächst in Grenzgebieten patrouillieren könnten. Schwimmende „Überwachungsplattformen“ für den Einsatz auf hoher See, die sich untereinander vernetzen. Software-Systeme, die quasi alle verfügbaren Daten auswerten, um vorherzusagen, wo demnächst Einwanderer eintreffen werden.

Mit Wissenschaft im gängigen Sinn hat die sogenannte Sicherheitsforschung nicht viel zu tun. Beispielsweise versucht kein einziges der geförderten Projekte zu definieren, was „Sicherheit“ eigentlich bedeuten soll und wie sie also herzustellen wäre. Stattdessen handelt es sich um „Forschung und Entwicklung“, wie sie ohnehin in den entsprechenden Abteilungen der Rüstungsindustrie stattfindet. Es geht um die Beschaffung von technischen Anlagen für Polizei, Militär und Grenzschutz und darum, organisatorische Standards festzulegen, damit sie reibungslos über Landesgrenzen hinweg miteinander kooperieren können.

Der Aufbau von EUROSUR soll nach dem Willen der EU-Kommission in drei Etappen vor sich gehen. In einer ersten Phase sollen die nationalen Systeme zur Grenzüberwachung zusammenfließen. Dann will die EU in einer zweiten Phase gemeinsame Mittel und Technik anschaffen. In einem Arbeitspapier von Januar 2011 verweist die Kommission ausdrücklich auf die Forschungsprojekte aus der Sicherheitsforschung, die dabei berücksichtigt werden sollten. In der letzten Phase sollen die beteiligten Organe mit einem gemeinsamen IT-System über die Meeresgrenzen Informationen teilen. Mit EUROSUR will die EU zunächst das Mittelmeer, den südlichen Atlantik und das Schwarze Meer überwachen, bei Erfolg könnte das System aber ausgeweitet werden, um dann alle maritimen Schengen-Grenzen abzudecken. Um die „vollständige situative Kenntnis der Außengrenzen“ zu erreichen, werden die diversen Datensammlungen aus den Mitgliedsstaaten in einem „System der Systeme“ zusammenfließen. In einer Machbarkeitsstudie hat die Firma ESG unter Beteiligung von EADS, Selex und Thales sowie der Universität der Bundeswehr dafür technische und organisatorische Standards festgelegt. Für EUROSUR verarbeiten die Behörden unter anderem Daten aus der Satellitenaufklärung, von Überwachungssensoren im Grenzgebiet, Drohnen und Radargeräten. Entscheidend ist außerdem der Austausch zwischen den nationalen Behörden über neue Methoden, mit denen Migrierende ohne entsprechende Papiere versuchen, nach Europa hinein zu kommen.

Wenig bekannt ist der letzte Baustein des EUROSUR– Lagebilds, das sogenannte Common Pre-frontier Intelligence Picture (CPIP). Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex soll dieses europaweite Informationssystem betreuen. Seine Aufgabe ist es unter anderem, durch eine teil-automatisierte Trendanalyse „Migrationsbewegungen“ zu entdecken oder vorherzusagen, bevor sie an einer Schengen-Grenze ankommen, um entsprechende Ressourcen zur Abwehr bereitzustellen. Zu diesem Zweck verarbeitet das System Informationen über die Ströme außerhalb Europas – eben vor der Grenze. CPIP enthält neben Satellitenaufnahmen und Informationen der Nachrichtendienste auch sogenannte Open Source Intelligence (OSINT). Das sind Daten, die über das Internet (mehr oder weniger) frei zugänglich sind: Pressemeldungen, Werbeanzeigen, Einträge in Blogs, Diskussionsforen und möglicherweise auch in Sozialen Netzwerken wie Facebook.

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