Queerplaining

Von Naim Balıkavlayan

Aus der Warte einer queeren Person of Color
In einem Dickicht verschiedener Selbstbezeichnungen beschreibt der Autor Naim Balıkavlayan im Folgenden auf persönlich-emotionale Weise, was Queersein für ihn* bedeutet und erläutert, was er sich für vielfältigere/vielheitlichere LSBT*IQ-Communities wünscht.

Ein weniger kurzes, aber dafür schmerzloses Statement: Ich bin kein großer Freund mehr von politischer Korrektheit – einer Korrektheit, die nach außen beinahe hochmütig wirkt, die auf den ersten Blick ausschließt, weil sie durch ihre Unzu- gänglichkeit „fremd“ klingt und unnötig stark theoretisiert. Weil sie schließlich und endlich für das Gros der Gesellschaft unverständlich erscheint und dann gerade diejenigen ausschließt, die unmittelbar von dem, was beschrieben wird, betroffen sind. Obwohl ich bisweilen dieserart Aversionen verspüre, bin ich, im Widerspruch zu dem vorher Geschriebenen, ein Verfechter einer Sprache, die (macht)sensibel ist. Auch mir mag es nicht immer gelingen, aber ich erwarte und wünsche mir, dass wir möglichst alle darum bemüht sind, mit Sprache nicht auszuschließen und die Realitäten von anderen Menschen in einer Form zu beschreiben, wie sie von eben den Betroffenen/Erfahrenen selbst verstanden werden möchte. Wenn sich der Einzelne anmaßt, eine Lebensrealität auf eine Art zu beschreiben, wie sie von dem Betroffenen nicht erlebt und gefühlt wird, dann kann Sprache sehr schnell relativierend, kompromittierend, gar diskriminierend werden. Komplex wird es, wenn die unterschiedlichen Betroffenen/Erfahrenen, mit ihren unterschiedlichen Standpunkten und Perspektiven die vermeintlich ein und dieselbe Lebenswirklichkeit auf eben unterschiedliche Weisen betrachten und beschreiben. Diese abstrakten, hingegen anspruchsvollen Gedanken hinsichtlich politischer Korrektheit haben einen Schnittpunkt – dieser liegt im Queersein.

Queer ist hip, ist omnipräsent, ist alles und irgendwie ein Nichts. Unfassbar, wenig konkret, sehr diffus (diffus zu sein ist ja eigentlich auch das originäre An- sinnen dieser Ausrichtung). Jedoch, Vorsicht, queer zu sein ist in geworden… und wahrscheinlich deshalb endlich auch in München angekommen. Auf einmal wirkt es, als würden sich alle, die sich mit Begrifflich- keiten wie Heter@, Lesbisch, Schwul, Trans*, Inter*, … nicht mehr allzu wohl fühlen, als Queer begreifen. Alle unter einem schrägen/queeren Dach. An und für sich eine gute Sache. Denn letztendlich würde der Begriff all diejenigen zusammenbringen, die aus der Norm der zweigeschlechtlichen Heterosexualität herausfallen. Jedoch, queer in München ist anders als das Queersein, das ich in Berlin „erlernte“ und anders als das „Queer“, von dem Judith Butler sprach. In meiner ersten Begegnung mit diesem Begriff, vor etwa sieben Jahren in Berlin, war es für mich ein neuer, „erleichternder“ Weg zur Selbsterkenntnis und –akzeptanz.
Einige der Leser*innen werden sich jetzt vermutlich denken: „Doch, *wtf*, was ist denn nun eigentlich hier und dort mit Queersein gemeint?“

(der ganze Artikel im PDF Format)