Oh Baby, Baby Altglas

Von Phil Zéro

Oh Baby, Baby Altglas

Vom Luxus oft genug Geburtstag zu haben, um von vergangenen Zeiten erzählen zu können.

Methusalem war ein volkswirtschaftliches Unding. Nicht nur, dass der Gute ganze 969 Lenze alt wurde1 , nein, der Sohn des Set2 erdreistete sich auch noch im bereits fortgeschrittenen Alter von 187 Jahren, einen Sprössling in die Welt zu setzen. Hätte Gott – wie uns ebenfalls das alte Testament in der Genesis verrät ein entschiedener Gegner der FünfTage-Woche – damals ein Rentenalter von 65 vorgesehen gehabt (dementsprechend unwahrscheinlich), wäre der feine Herr Methusalem ergo bereits 122 Jahre der Staatskasse „zur Last gefallen“, als ihn letztlich noch der Hafer stach in Zeugungsdingen aktiv zu werden. Auf der anderen Seite muss man sich allerdings auch einmal in den greisen Altvorderen hinein versetzen: Mit zunehmendem Lebensalter lässt zwangsläufig die Agilität nach und es wird schwerer, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Die Lösung dieses Problems besteht letztlich einzig in der Erzeugung nachfolgender Generationen, die für einen aufkommen. Diese wiederum zeugen später weitere Nachfahrenscharen, die sich im Alter um sie kümmern sollen und so weiter und so fort. Methusalem musste quasi in Ermangelung ausreichend anderer Mitstreiter im Fortpflanzungs-Bingo selbst für Nachkommenschaft sorgen, wollte er nicht einmal mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen, wenn der Rücken nicht mehr mitmachte bei der Apfelernte. Die Geburt des Generationenvertrages.3

Viele Sommer später, wir schreiben die 1960er Jahre, wurde die Welt jedoch erschüttert von etwas, das so nach dem Prinzip Zeug-Dir-Deine-Rente-selber sicher nie vorgesehen war – dem Pillenknick. Folgerichtig sangen mit der Band „The Who“ einige junge Männer wohl intuitiv richtig “I hope I die before I get old” auf ihrer Debüt-LP My Generation im Jahre 1965. Wirklich in die Tat umgesetzt hat diesen Vorsatz dann konsequenterweise neben Drummer Keith Moon nur ein unzulänglich kleiner Teil der damals angesprochenen Jugendlichen, so dass der Löwenanteil der Menschen, die derzeit die Welt verwalten, sich aus den Reihen eben jener dereinst angesprochenen Teenager rekrutiert. Dank des unbarmherzigen Mahlzahns der Zeit dürfen sie freilich heute den Prozess des Älterwerdens von der anderen Seite des Steinbruchs der Jahrzehnte betrachten. Nein, Moment, das ist so auch nicht ganz richtig, denn die wirklich andere Seite wäre ja das Altenteil. Sprich das Rentenalter, also genau die Position, in welcher der logisch denkende Mitmensch sich freuen sollte – nach Dekaden des künstlichen Stresses in obskuren Tätigkeiten mit Broterwerbsintention und der Lebenszeit stehlenden Dienststunden – endlich zu Gunsten einer nachfolgenden Generation wieder aus einer Position der „Verantwortung“ für das Bruttoinlandsprodukt hinausbefördert worden zu sein und nun mit etwas Glück noch einige erbauliche Restjahre auf Erden zu verleben. Bevor dann schließlich doch Cholesterin oder Karzinom obsiegen.

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