„Nicht immer nur böse gucken und am Knüppel rumtatschen“

Von Matthias Weinzierl

„Nicht immer nur böse gucken und am Knüppel rumtatschen“

Dürfen politische Aktionen unterhaltsam sein? Kann man ernsten Anliegen mit Humor begegnen?

In deiner politischen und künstlerischen Praxis hast du einige unter – schiedliche Aktionsformen aus – probiert und angewandt. Bei Schleuser.net zum Beispiel haben du und deine Kolleginnen und Kollegen auf eine witzige und im weitesten Sinne auch unterhaltsame Art Themenfelder beackert, die eigentlich ziemlich brutal und grausam sind. Warum?

Meine These ist ja immer die, dass wenn du auf einem eher anstrengenden politischen Feld arbeitest, von dem du weißt, dass wir nicht von heute auf morgen die Situation ändern werden, dann ist es schon sehr wichtig, dass du auch Spaß dabei hast, und zwar in der Form, dass wir dabei nicht auf der Strecke bleiben.

Dass niemand sich sagen muss: „Jetzt habe ich keine Lust mehr, jetzt bin ich ausgepowert, jetzt bin ich fertig“, und dann das Engagement wieder aufhört. Das ist indirekt auch die Frage nach dem politischen Gegner: So abstrus, nebulös und wenig bestimmbar der auch sein mag: Was will der oder die erreichen? Eine klassische Methode des politischen Geschäfts ist Frustrieren. Menschen, die aufstehen, zu frustrieren und sie wieder da hin zu treiben, wo sie am wenigsten anrichten können: Nämlich in ihre Hinterzimmer, in ihre Wohnungen, wo sie sitzen und letztendlich frustriert vor sich hinstarren. Um aus dieser Methode der Frustration herauszukommen, gehören unterhaltende Formen für mich dazu. Im wahrsten Sinne des Wortes und auch für alle.

Nenne doch mal ein Beispiel für so eine unterhaltsame Aktionsform.

Den Bundesverband Schleppen & Schleusen hattest du ja bereits erwähnt. Bei Schleuser.net kommt zum Lachen noch ein weiterer Punkt dazu: Wir vertreten da ja die These, dass der Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Wenn die Mitte der Gesellschaft nun im Publikum sitzt, und ich sage ihr das, dann kommt das natürlich nicht so gut an, wie wenn ich das fünf, sechs Mal spiegle. Das ist besser, als wenn ich einem direkt ins Gesicht sage: „Du bist ein Arsch!“ Da geht’s mir jetzt nicht nur um Abwehrreflexe, sondern darum, dass wir ja Veränderung wollen, Befreiung und so weiter. Und dazu muss ich ja auch die Möglichkeit aufmachen. Ich meine, das Kabarett zum Beispiel übersteigert das manchmal, es ist dann sozusagen fast nur noch lustig, so dass das Lachen dann zur Ablasszahlung wird. Aber wir machen ja kein Kabarett, sondern bildende Kunst. Das heißt, bei uns sind das nur ganz feine Veränderungen, die Denkfiguren sichtbar machen und eine Situation öffnen. In der Hoffnung, dass jemand im Stillen zu der Erkenntnis kommt: „Scheiße, ich bin Teil der Maschinerie, die ich ablehne, und ich muss jetzt was dagegen tun.“ Und da ist das Lachen ein Pflaster, unter dem was Neues entstehen kann.

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