Macht Lärm!

Ein Interview von Florian Leckel

Macht Lärm!

Auftritte von homophoben Reggae-Artists sorgen regelmäßig für öffentliche Debatten. Jetzt gibt es auch Protest aus der Szene. Mal Élevé, Frontsänger der Band Irie Révoltés, macht mit der Kampagne „Make Some Noise“ mobil gegen Homophobie und Sexismus innerhalb der Reggae- und HipHop-Szene

Geplante Auftritte von ReggaeArtists, die in ihren Songtexten offen zur Verbrennung, Kreuzigung und Erschießung von Homosexuellen aufrufen, befeuern immer wieder die Debatte über Homophobie in der Reggaeszene. Wie wird das Thema in der Szene derzeit diskutiert?

Die aktuelle Diskussion kann ich dir nicht komplett wiedergeben, denn die findet auf tausend verschiedenen Plattformen statt. Vor ein paar Jahren noch empfand ich die Diskussion aber als ein bisschen lächerlich und erbärmlich. Viele Reggaekünstler sahen sich in der Opferrolle: Warum zeigen denn jetzt alle auf uns? Guckt doch mal auf die HipHopper, die machen es doch genauso. Die ganze Debatte wurde umgekehrt und zur Verschwörungstheorie stilisiert. Am Ende standen sie selbst als die Armen da, auf die sich alle eingeschossen hatten und die mit Auftrittsverboten verfolgt wurden. Es ist traurig, aber ein Teil der Szene ist einfach nicht bereit, sich mit Homophobie auseinanderzusetzen. Anstatt zu sagen, Wir müssen damit umgehen und versuchen, etwas dagegen zu machen, sagen die: Warum wird auf uns gezeigt? Andere sind doch noch viel schlimmer! Das ist natürlich der schlechteste Weg damit umzugehen.

Wie soll man denn damit umgehen, wenn Soundsystems irgendwelche Battyman Tunes1 spielen oder wenn Festivalveranstalter homophobe Acts einladen?

Spontan aus dem Bauch heraus: Die Künstler nicht einladen, Auftritte absagen und Platten kaputt machen. Aber es ist natürlich viel komplexer und das ist auch nicht der einzige Weg um nachhaltig etwas zu verändern. Wir spielen ja auch auf Festivals und gehen Kompromisse ein. Ich weiß von Leuten, die sich gut in der Szene auskennen, dass es fast unmöglich ist, eine Reggaeveranstaltung zu buchen, die komplett auf Artists verzichtet, die auf irgend eine Weise homophobes Denken vertreten. Wenn dem so ist, ist es natürlich eine Tragödie. Aber das heißt doch: Wir müssen versuchen auf allen Ebenen klare Zeichen zu setzen. Ich denke Festivals müssen viel klarer ein Statement nach außen geben. Entweder, wenn die Veranstalter konsequent genug sind, laden sie die entsprechenden Artists wirklich nicht ein, oder verlangen von ihnen zumindest ein ernst gemeintes Statement, das auf keinen Fall so nichtssagend wie der Compassionate Act2 sein darf. Bei Soundsystems würde ich knallhart sagen: Es gibt bestimmte Sachen, die gehen einfach nicht, die kann niemand mehr auflegen, der eine wirkliche Meinung dazu hat und sich eindeutig positionieren will.

Wie kann es denn gelingen, die Acts und Artists aus Jamaica in die hier stattfindende Homophobiedebatte einzubinden?

Wir müssen klarmachen, dass sich die Reggaeszene hier mit diesem Thema krass auseinandersetzt. Wir brauchen endlich negatives Feedback, einen richtigen Clash, in welcher Form auch immer! Festivalveranstalter, Soundsystems, aber auch andere Reggaebands müssen deutlich machen: Fuck you! Was laberst du für einen Scheiß! Momentan ist ja die gängige Herangehensweise der Veranstalter beim Umgang mit homophoben Artists: Bitte unterschreib mal diese Erklärung, weil sonst steigt uns der Schwulenverband XY aufs Dach. Die eigentliche Herangehensweise wäre doch, wenn jetzt das ChiemseeFestival oder das Summer Jam sagen würden: Ey, ihr spielt hier keine homophoben Songs, denn wir finden das Scheiße und halten von dieser Meinung nichts

(der ganze Artikel im PDF Format)