Im Mikrokosmos.

Von Tom Reiss

Im Mikrokosmos der (neuen) Trambahn von Jerusalem

Bei meiner letztjährigen Israel-Reise hatte ich das Vergnügen, die Dynamiken nahöstlicher Spannungen in ihrer vielleicht banalstmöglichen Form kennenzulernen. Eine dort lebende Freundin führte mich durch Jerusalem; gegen Ende dieses höchst angenehmen Ausfluges stiegen wir am Damaskustor – das bezeichnenderweise sowohl zwischen Alt- und Neustadt als auch zwischen christlichem und muslimischem Viertel liegt – in eine Trambahn. Die Trambahnlinie war frisch eingerichtet, und wie viele andere Israelis war sich meine Freundin nicht ganz sicher, wie die Reisemodalitäten (Tickets usw.) genau aussähen. Ich war natürlich keine große Hilfe. Schließlich hatte sie sich aber durch die Menüs des Ticketautomaten (in vier Sprachen und Alphabeten) navigiert und zwei Einzelfahrkarten erstanden, mit denen wir uns stolz in die Bahn begaben.

Kurz darauf begannen zwei hübsch uniformierte und hochmotivierte Kontrolleure, deren Job noch so frisch war wie die Bahn selbst, sich durch das Abteil zu bewegen. Wir präsentierten unsere Karten, wurden allerdings darüber informiert, dass wir diese hätten entwerten müssen (ein in Israel eher unübliches System), und man uns daher einen Strafzettel in horrender Höhe ausstellen müsste. Meine Freundin fing an, in verschiedenen Sprachen zu diskutieren und für unsere Unschuld zu plädieren – währenddessen allerdings hatte ich die Gelegenheit, die kuriosen Entwicklungen zu beobachten, die im Rest der Bahn ihren Lauf nahmen:

Bei den Kontrolleuren handelte es sich um Araber, da es sich um eine palästinensisch verwaltete Bahn handelte. Sonst befanden sich in der Bahn teils arabische Passagiere, teils jüdische sowie christliche Israelis, und zu einem großen Teil Touristinnen und Touristen. Letztere begannen sich angesichts unseres Unglücks in Windeseile von den Kontrolleuren zu entfernen (wahrscheinlich ebenfalls mangels gültiger Fahrausweise). Zu unserer Verteidigung eilten schnell einige Israelis heran, die leidenschaftlich in die Diskussion mit den Kontrolleuren einstiegen.

(der ganze Artikel im PDF Format)