“Il s’est excusé en tout cas”

Von Caspar Schmidt

Il s’est excusé en tout cas

Oder: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt“

(Guido Westerwelle, Außenminister und Denker).

Die Stimmung am internationalen Flughafen ParisOrly ist angespannt. Militärpolizei bahnt sich den Weg durch die Menge. Die Einsatzkräfte sperren einen Teil des Flughafens ab, genau dort, wo wir soeben unser Gepäck aufgeben wollten. Wir waren vor einer Stunde schon einmal am Schalter. Er war nicht besetzt. Jetzt steht dort ein einsamer Koffer und überall sammelt sich Militär. Nichts geht mehr.

Ich war noch nie ein Freund von Flugreisen. Tausende Fuß hoch über der Erdoberfläche, gefangen in einem Stahlmonster, das jederzeit abzustürzen droht. Man liest häufig genug von Flugzeugabstürzen. Und zur nervlichen Belastungsprobe kommt heute neben dem Nikotin-Entzug noch die latente Terrorgefahr. Machen wir uns nichts vor. Fliegen ist die Hölle.

Ich bin nicht religiös, aber auf Flugreisen habe ich immer ein Gebetsbuch im Gepäck. Niemand kann mit hundertprozentiger Gewissheit sagen, dass ein Gebetsbuch in diesem Fall nichts nützt. Ein zweites Hilfsmittel: Ich stelle mir vor, mit den Füßen den Antrieb und die Bremsen des Flugzeugs beeinflussen zu können. Wenn das Flugzeug dann in Turbulenzen gerät, justiere ich mit den Füßen nach. Das beruhigt.

Weiteres Militär kommt in die Halle des Flughafens. Es sperrt das Gelände immer weiträumiger ab. Die Lage scheint wirklich ernst zu sein. Über eine Stunde dauert die Operation schon. Gegen Terror in der Luft hilft nur gelebte Toleranz. Mir ist vor allem wichtig, nicht in 2000 Metern Höhe von einer Bombe in Stücke gerissen oder entführt zu werden – deshalb toleriere ich Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen grundsätzlich.

Inzwischen wurde die gesamte Halle geschlossen, die Gepäckaufgabe in eine andere Halle verlagert. Die Passagiere starren auf Monitore, wollen wissen, wo sie mit ihrem Gepäck nun hin sollen. Wir beschließen, dem Trubel zwischenzeitlich zu entkommen. Essen in sicherer Entfernung. Ich nutze die Zeit, meiner Begleiterin ein paar Gedanken zur sicherheitspolitischen Lage in Europa mitzuteilen und lobe die Logistik der Operation. Währenddessen gelingt es der Flughafen-Bürokratie tatsächlich, das Chaos unter Kontrolle zu bringen. Die Halle ist leer, die neuen Gepäckaufgabestellen sind eingerichtet. Das Warten hat ein Ende. Wir machen uns auf den Weg zum Schalter – Korsika ist in greifbarer Nähe.

Als wir in der Schlange stehen, spricht meine Begleiterin aus, was schon seit geraumer Zeit in der Luft gelegen sein muss, nur mir kam es nicht in den Sinn. Doch jetzt steht sie plötzlich im Raum, die Frage, und sie trifft mich hart: „Hey Caspar, wo ist eigentlich dein zweiter Koffer?“ Ja verdammt, wo ist eigentlich mein zweiter Koffer? Hinter den Absperrgittern, eingerahmt von hunderten Einsatzkräften der Militärpolizei? Niemals! Oder vielleicht doch? Vermutlich. So sieht es jedenfalls aus! Ich wäge ab. Besteht etwa die Möglichkeit, den Koffer unbemerkt zurückzulassen? Spätestens eine Auswertung der Überwachungskameras würde mich im Nachgang aber dennoch überführen. Es hilft nichts

 

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