Grenzen des Wachstums

Von Barbara Brandl

Grenzen des Wachstums

Pflanzen sind in einer vom Klimawandel gebeutelten Welt die Antwort auf alle Fragen – zumindest auf sehr viele. Pflanzliche Energie als Alternative zu fossilen Brennstoffen, gentechnisch veränderte Pflanzen, die verseuchte Böden wieder in saubere Flächen verwandeln sollen oder Pflanzen, deren Wasserverwertung effizienter ist und die so weniger zusätzliche Bewässerung brauchen. Die Grenzen des Wachstums, die sich der ökonomischen Entwicklung in Form von Natur in den Weg stellen, sollen mit effizienteren, mit ertragreicheren oder sonst wie besser angepassten Pflanzen überwunden werden.

Sieht man sich die Geschichte der Industrialisierung der landwirtschaftlichen Produktion an, entdeckt man viele dieser Grenzen, aber auch wie es immer wieder gelang diese natürlichen Grenzen durch technische Innovationen zu überwinden. Jedoch tauchten – oft an anderen Stellen – neue, durch die Natur selbst hervorgebrachte Grenzen auf, für deren Überwindung dann erneut technische Lösungen gesucht werden, beispielsweise die Produktivität des derzeit verwendeten Saatguts, die nun mit Hilfe der Molekularbiologie gesteigert werden soll. So ist der Leitspruch vieler Projekte und Initiativen, ob sie nun den Welthunger bekämpfen oder für saubere Energie sorgen wollen: Pflanzen, fit für die Zukunft, sollen her! Für die Entwicklung von „zukunftstauglichen“ Pflanzen nehmen staatliche Institutionen, globale Life-Science-Konzerne und auch die Vermischung aus beiden – mit, neutral gesagt, unklaren Interessenlagen – sowie die Private-Public-Partnerships viel Mühe und vor allem hohe Kosten in Kauf. Mit ‚zukunfts-fitten‘ Pflanzen sind landwirtschaftliche Nutzpflanzen gemeint, welche sich an durch Klimawandel oder Rohstoffknappheit veränderte Umweltbedingungen der landwirtschaftlichen Produktion besser anpassen können. Womit schlicht gemeint ist, dass die Pflanzen ohne Ertragseinbußen Ernte produzieren.

So gibt es beispielsweise Programme zum Entwickeln von Maissorten, die trotz Dürre und Hitze ihren Ertrag ausbilden. Reissorten sollen gezüchtet werden, die den neuerdings stärkeren Regenfällen trotzen oder Weizensorten, die mehr von dem knapp werdenden Düngemittel Nitrat verwerten können. Umwelteinflüsse, die sich auf die Entwicklung von Pflanzen, vor allem deren Früchte, schädlich auswirken, bezeichnet die Biologie als „abiotischen Stress“. Damit sind Belastungen für die Pflanzen gemeint wie Dürre, versalzene Böden oder Hitze, die nicht durch Krankheiten (biotischer Stress) erzeugt werden. Saatgut für besonders dürre- oder hitzeresistente Pflanzen oder für Pflanzen, die trotz versalzener Böden und überfluteter Landstriche ihren Ertrag produzieren, ist in den letzten Jahren die (PR-) Strategie aller großen Saatgutkonzerne sowie das Losungswort der Entwicklungshilfe, die sich auf ländliche Gebiete spezialisiert hat.

Gigantische Ertragssteigerungen – die Industrialisierung der Landwirtschaft

Die Geschichte der modernen Pflanzenzüchtung ist die Geschichte eines ungeheuren Erfolgs – wenn man diesen in quantitativen Ertragszuwächsen misst: Die Entdeckung des Stickstoffes in seiner Funktion als Kunstdünger gegen Ende des 19. Jahrhunderts sowie wegweisende Erkenntnisse aus dem Bereich der Pflanzengenetik, die maß- geblich zur Entwicklung der Hochleistungssorten beitrugen, führten dazu, dass der Ertrag bei einzelnen Fruchtarten (beispielsweise Mais) bis zu 300 Prozent gesteigert werden konnte. Diese Sorten sind somit extrem ertragreich, jedoch im Vergleich zum Wildtyp der Pflanze nicht besonders widerstandsfähig. Sie brauchen deshalb zusätzliche Input-Faktoren wie zusätzliche Bewässerung oder Agrochemie (beispielsweise Herbizide). Die größten Ertragssteigerungen erreichte man mit dem so genannten „Hybridsaatgut“. Hybridsorten sind Sorten, die durch die Kreuzung von zwei unterschiedlichen reinerbigen (homozygoten) Inzuchtlinien entstehen. Die erste Generation ist dann besonders ertragreich, die nachfolgenden Generationen jedoch in der Regel weniger. Aufgrund dieser spezifischen Eigenschaften von Hybridsorten sind Bauern und Bäuerinnen gezwungen, ihr Saatgut jedes Jahr neu zu kaufen. Bei einzelnen Fruchtarten wie zum Beispiel Mais oder Reis liegt der Anteil an Hybridsorten bei über 80 Prozent. Die Kehrseite dieser immensen Ertragssteigerungen war, dass die Bauern sich immer stärker von industriellen Gütern wie Düngemitteln, industriell hergestelltem Saatgut oder der Agrochemie (etwa in Form von Herbiziden oder Pestiziden) abhängig machten. Zudem waren sie immer stärker auf stetig knapper werdende Rohstoffe wie Wasser oder Nitrate angewiesen. Außerdem beschränkte sich die landwirtschaftliche Produktion auf immer weniger Fruchtarten, die so genannten ‚major crops‘ (Mais, Soja, Baumwolle oder Raps), da sie sich besonders für eine industrialisierte Form der Landwirtschaft eignen. Die Züchtungsforschung der Saatgutkonzerne und zunehmend auch die Forschung der staatlichen Institute konzentrieren sich nun in erster Linie auf die genannten Fruchtarten, während sie andere, kommerziell weniger interessante wie Hirse oder Hafer systematisch vernachlässigt.

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