Eine deutsche Botschaft

Von Anna-Katinka Neetzke und Tobias Klaus

Eine deutsche Botschaft

Flüchtlingsfamilien sind oftmals hunderte Kilometer voneinander getrennt. Sie verlieren einander auf der Flucht oder nur ein Teil macht sich auf den langen und gefährlichen Weg nach Europa. Wenn es ihr Aufenthaltsstatus erlaubt, haben sie das Recht, ihre Partner und minderjährigen Kinder nachzuholen. Doch die Familienzusammenführung scheitert oft an den bürokratischen und finanziellen Hürden, die in den letzten Jahren sukzessive aufgebaut wurden. Eine besonders unrühmliche Rolle spielt dabei die deutsche Botschaft in Nairobi.

Seit vier Jahren ist Herr Jeylaani aus Somalia von Frau und Kindern getrennt. In Somalia war er als Goldschmied tätig bis zu dem Tag, an dem die Al-Schabab-Miliz ihm verbot, weiterhin sein Handwerk auszuüben und ihm mit Verstümmelung und Tod drohte. In Deutschland fand er Schutz, doch seine Frau und seine drei Kinder schafften es nur bis nach Nairobi, wo sie nun unter katastrophalen Bedingungen in einem Slum leben. Der somalische Flüchtling leidet sehr unter der Trennung und seine Gesundheit verschlechtert sich von Tag zu Tag. Zwei Bypass-Operationen hat er bereits hinter sich. Aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung hat er das Recht, seine Familie nach Deutschland zu holen und zu schützen. Dazu musste seine Frau bei der deutschen Botschaft in Nairobi die Visa beantragen. Doch einen Termin zu bekommen ist mittlerweile fast unmöglich. „Das Hauptproblem liegt ganz klar bei der deutschen Botschaft in Nairobi“, sagt die Münchner Rechtsanwältin Ingvild Stadie. „Seit geraumer Zeit ist die faktische Visaantragstellung kaum noch möglich“. Über ein OnlineTerminvergabesystem wird der Anspruch auf Familienzusammenführung ausgehebelt: Neue Termine werden, wenn überhaupt, nur ab 24:00 Uhr freigeschaltet und sind innerhalb kürzester Zeit vergeben. Nur wer Glück hat erhält einen Termin. Insgesamt gibt es viel zu viele Bewerberinnen und Bewerber um einen Platz. Die Folge: Termine sind ein knappes Gut, mit dem Handel getrieben wird und die oft auf Vorrat gebucht werden. Ingvild Stadie hat das Vergabesystem beim Auswärtigen Amt angemahnt. Die Antwort: Zu viele Leute möchten einen Termin, dieser Andrang sei mit dem wenigen Personal der deutschen Botschaft einfach nicht zu bewältigen. „Seltsam ist, dass die Vergabe von Terminen für Kurzzeitvisa für die Deutsche Botschaft in Nairobi jedoch kein Problem darstellt. Dass es möglich ist, innerhalb weniger Tage hierfür einen Termin zu bekommen, steht im Gegensatz zur Argumentation des Auswärtigen Amtes, da ein Termin zur Familienzusammenführung mit 30 Minuten genau denselben Arbeitsaufwand darstellt“, sagt die Rechtsanwältin. „Außerdem könnte problemlos die Deutsche Botschaft in Addis Abeba (Äthiopien) für die Bearbeitung von Visaanträgen hinzugezogen werden“.

DNA-Tests als Beweis

Über seine Rechtsanwältin hat Herr Jeylaani mittlerweile einen Termin erstritten, doch die Verschärfung der Terminvergabepraxis ist nur eine von vielen Hürden, die darauf abzielen, den Familiennachzug von somalischen Flüchtlingen zu unterbinden. Seit geraumer Zeit verlangt die Botschaft DNA-Tests zum Beweis, dass es sich auch tatsächlich um Familienmitglieder handelt. Diese sind teuer und die Flüchtlinge müssen sie selbst bezahlen. Für Familie Jeylaani fallen dafür etwa 500 Euro an. Herr Jeylaani wird mit 350 Euro monatlich unterstützt. Davon überweist er Dank eisernen Sparens 300 Euro an seine Familie. Sie muss davon 100 Dollar Miete, das Schulgeld für die älteste Tochter sowie Schutzgelder bezahlen. Neben den DNA-Tests müssen die Anwältin und der Flug bezahlt werden. Diese immensen Kosten sind alleine kaum zu stemmen, selbst wenn Herr Jeylaani nicht mehr zum Integrationskurs muss und arbeiten dürfte.

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