Ehe nur zum Schein?

Von Judith Goetz

Ehe nur zum Schein?

In ihrem Buch „Schein oder Nicht Schein“ setzt sich die Politikwissenschaftlerin Irene Messinger mit sogenannten Scheinehen auseinander und beleuchtet in ihrer inzwischen mehrfach ausgezeichneten Arbeit einen bedeutenden Aspekt der Geschichte des institutionalisierten Rassismus in Österreich.

Menschen heiraten seit geraumer Zeit, um durch die Ehe unterschiedliche Vorteile zu erlangen, wie beispielsweise in der NS-Zeit Schutz vor Verfolgung und einen leichteren Weg ins lebensrettende Exil oder gegenwärtig wegen steuerrechtlicher Begünstigungen. Sogenannte Schein- bzw. Aufenthalt sehen wurden aber seit der Novelle des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in Österreich zum Straftatbestand. Dieser Bestand ist demnach für eine Person erfüllt, die heiratet, „[…] ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führen zu wollen und weiß oder wissen musste, dass sich der Fremde für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für die Beibehaltung oder den Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen will“ (Österreichisches Fremdenpolizeigesetz 2005, §117). Seit dieser Neuerung kann nicht nur der vermeintlich „fremde“ Part deswegen die Staatsbürgerschaft verlieren oder abgeschoben werden, sondern auch der „österreichische“ Part mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder einer Geldstrafe bestraft werden, sollte sich der „Verdacht“ bestätigen.

Zur zunehmenden Kriminalisierung von vermeint – lichen Scheinehen kam es in Österreich jedoch bereits seit den 1980ern. So sind es, wie Messinger aufzeigt, jährlich mehrere hundert sogenannte Aufenthaltsehen, die von behördlicher Seite verdächtigt und teilweise auch strafrechtlich belangt werden. Als Material für die profunde Analyse der aktuellen Situation dienen der Autorin, die selbst jahrelang Rechtsberatung in asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren gegeben hat, Gerichtsakten, aber auch andere behördliche Dokumente wie Polizeiprotokolle sowie Interviews mit vermeintlichen Experten und Expertinnen der Fremdenrechtspolizei.

Messinger beleuchtet in ihrer sorgfältig recherchierten Publikation unter anderem die erschreckende Art und Weise, in der vor allem Standesämter mit der Polizei zusammenarbeiten und seit der genannten Novelle sämtliche Ehen, die zwischen so genannten Drittstaats angehörigen einerseits und Österreichern und Österreicherinnen andererseits geschlossen werden, weitergeben. Diese Informationen wiederum liefern die Basis für staatliche Eingriffe wie unangekündigte polizeiliche Kontrollen, die tief in die Privatssphäre der Betroffenen eindringen und mit detailreichen Befragungen und anderen Schikanen verbunden sind. Da in den Gesetzen nicht klar festgeschrieben steht, wie sich Ehen überhaupt kontrollieren lassen bzw. was genau eine „echte“ Ehe ausmacht, liegt es oft im Ermessen und den subjektiven Vorstellungen der jeweiligen Polizisten und Polizistinnen, bestimmte Ehen zu verdächtigen.