Durch die Wüste

Durch die Wüste

In Israel machen Politikerinnen und Politiker sowie rechte Organisationen gegen die „infiltrators“ genannten afrikanischen Flüchtlinge mobil. Die andauernden Anfeindungen und Verleumdungen gipfelten diesen Sommer in gewalttätigen Ausschreitungen in Tel Aviv.

Für Israel ist die gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber, ein Aufnahmeland für Flüchtlinge aus Afrika zu sein, im Verhältnis zu Europa relativ neu. Erst seit 2005 kommen Flüchtlinge in nennenswerter Zahl über die ägyptische SinaiHalbinsel nach Israel. Besonders für Menschen aus dem Sudan, die der extremen Gewalt in Darfur entkommen wollen1 , und aus der Militär-Diktatur Eritrea, die in allen Menschenrechtsindices einen der letzten Plätze einnimmt, ist Israel das nächste sichere und erreichbare Land. Bis zum Jahr 2012 sind durch den Sinai insgesamt etwa 60.000 Flüchtlinge nach Israel gelangt, allein 17.000 waren es im Jahr 2011. Die Zahlen haben auch deshalb zugenommen, weil die Europäische Union in den letzten Jahren erfolgreiche Kooperationen mit den alten autokratischen Regimes in Nordafrika installiert hatte, um die Migrationsrouten über den Maghreb und die Levante zu blockieren. Auch der Krieg in Libyen und die weitreichenden Veränderungen in der Region durch den „arabischen Frühling“ führten zur Verschiebung etablierter Wege für Flüchtlinge.

Historisch agierte Israel in Bezug auf Flüchtlingsrechte ambivalent: Aufgrund der jahrhundertelangen jüdischen Erfahrung von Diskriminierung und Antisemitismus war Israel bei der Formulierung der Genfer Flüchtlingskonvention 1951 maßgeblich beteiligt und einer der ersten unterzeichnenden Staaten. Andererseits führte die Flucht und Vertreibung von großen Teilen der vor 1948 ansässigen palästinensischen Bevölkerung dazu, dass sich Israel vor der UNO-Vollversammlung ständiger Kritik unter Verweis auf die Genfer Konvention ausgesetzt sah und eine Argumentation entwickelte, nach der palästinensische Flüchtlinge nicht unter die Flücht – lings konvention fallen. Wohl auch daher wurde das Regelwerk der Konvention bis heute nicht in israeli – sches nationales Recht überführt.

Weniger als ein Prozent anerkannte Flüchtlinge

Bis 2008 lag die Zuständigkeit für die Anerkennung von Flüchtlingen in Israel in den Händen des UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Seither wurde ein eigenständiges Asylverfahren etabliert, das aber von israelischen Flüchtlingsorganisationen stark kritisiert wird: Sie monieren, es sei strukturell so angelegt, dass faktisch so gut wie kein Asyl gewährt wird. Im Jahr 2010 wurden von 3.366 gestellten Asylanträgen nur acht positiv beschieden, das sind 0,24 Prozent und damit weniger als in Griechenland, dem „bad guy“ des europäischen Asylsystems. Statt ein individuelles Asylverfahren durchzuführen, gewährt Israel den Flüchtlingen aus Eritrea und Sudan einen zeitlich begrenzten Schutzstatus. Diese „temporary group protection“ berechtigt aber weder zur Teilnahme am Arbeitsleben und am Gesundheits- oder Erziehungssystem noch bietet sie Schutz vor der Internierung in detention centers. Sie verhindert lediglich, dass die betroffenen Personen abgeschoben werden.

(der ganze Artikel im PDF Format)