Drei Tage – drei Geschichten – drei Schicksale

Von Tobias Klaus

3 Taga, 3 Geschichte, 3 Schicksale

Die Einzelfallarbeit im Flüchtlingsrat ist kaum zu beschreiben. Tobias Klaus schildert darum exemplarisch drei Tage in der Geschäftsstelle, die ihm besonders in Erinnerung geblieben sind.

Schnell noch Abschieben

Mittwoch, 22. Oktober 2007. Ich komme früh ins Büro, ein Handyanruf hat mich geweckt. Heute Nachmittag soll Familie Ora nach Syrien abgeschoben werden. Zwei Tage zuvor sind sie von der Polizei abgeholt worden, 30 Minuten hatten Sie um ihre Sachen zu packen, zwölf Jahre in Straubing sollen heute zu Ende gehen. „Selbst die 16-jährige Tochter ist schon im Gefängnis. Das ist doch nicht normal, dass Kinder in Haft genommen werden, die haben doch keine Straftat begangen!“, empört sich ein Unterstützer am Telefon. Zwei Tage vorher wurde ich über den Fall informiert: Noch bevor das neue Bleiberecht greifen kann, wollen die Straubinger Behörden eine Familie nach Syrien abschieben. Vor zwölf Jahren waren die syrischen Christen geflohen, haben sich seitdem in Straubing eingelebt, ihre Kinder sind dort geboren, gehen zur Schule und haben Freundinnen und Freunde gefunden. Mit den Unterstützerinnen und Unterstützern der Familie habe ich mich bereits getroffen, eine Unterschriftenkampagne und Faxaktion läuft, eine Petition im Landtag wurde eingereicht, der Bischof ist informiert, die Pressemitteilung versendet. Erst einmal telefoniere ich mit der Anwältin, der Eilantrag wurde abgelehnt, die Ausländerbehörde will weiter abschieben. Ein Anruf bei der Ausländerbehörde: Sie sind genervt von der Faxaktion und wollen nicht mit mir sprechen. Es sieht nicht gut aus. Ich kontaktiere ein paar Journalistinnen und Journalisten, sie versprechen mir, im Innenministerium nachzufragen – hoffentlich bringt der mediale Druck ein Einlenken. Gegen Mittag meldet sich die Pressestelle des Bischofs. Ein paar Details werden abgeklärt, dann wird versprochen, dass der Bischof so schnell wie möglich beim Innenministerium intervenieren wird. Die etwas mehr erfahrenen Kolleginnen und Kollegen sind sich sicher, jetzt wird die Abschiebung gestoppt – es ist mein erster Einzelfall, ich bin am Zweifeln und stehe unter Hochdruck. Am frühen Nachmittag kommt ein Anruf aus Straubing von einem Freund der Familie: Die Familie befindet sich bereits auf dem Weg zum Flughafen in Frankfurt: In vier Stunden ist die Abschiebung. Hoffentlich erreicht der Bischof noch etwas. Kurze Zeit später ruft die Anwältin der Familie an. Die Familie wird zurückgebracht. Das Innenministerium hat die Abschiebung gestoppt, bis über die Petition entschieden ist!

(der ganze Artikel im PDF Format)