Die Reise und die große Freiheit

Von Nikolai Schreiter

Die Reise und die große Freiheit

Über den Ausbruch aus dem Ernst des Lebens.

Wenn eine eine Reise tut, dann kann sie was erzählen. Nämlich dann, wenn sie wieder da ist. Da, in der Welt, in der Überleben oder gar Leben an den Zwang gebunden ist, Geld zu haben: im Ernst des Lebens. Sie kann denen erzählen, die keine Reise getan haben. Weil sie es sich nicht leisten konnten, zum Beispiel. Oder nicht weg konnten, so ganz ohne Pass. Geld haben bedeutet meist Geld verdienen, und das bedeutet, arbeiten gehen müssen. Und dürfen. Mit dem Wecker aufstehen, den der Ernst stellt, der Ernst des Lebens. Ob man nun Chefin ist oder Ausgebeuteter oder eine sich selbstdisziplinierende ICH-AG – die eigene Arbeitskraft muss verkauft werden, weil sie mehr oder minder das einzige ist, was man so hat.

Reisen ist der Inbegriff des Ausbruchs aus diesem Ernst. Nach dem Abitur, der Ausbildung oder im Sabbatical jetten, trampen oder fahren Leute um die Welt und fühlen sich frei. Sie liegen an Stränden, treffen interessante Leute, wandern durch wunderschöne Gegenden und lernen Städte kennen, die brodeln. Sie brodeln mit, schäumen vor Eindrücken, vor Neuem, Interessantem, Unbekanntem, hoffentlich nicht vor dem ach so Exotischen, ohne Stress und Termin. Je länger die Reise, je weniger terminiert und just-in-time sie ist, desto begehrter ist sie und desto beneidenswerter sind die Reisenden, denn desto mehr ist sie Ausbruch. Wer reist ist frei, die große Welt, die ganz große Welt liegt vor den Reisenden.

Zumindest für kurze Zeit

Denn was den post-Abitur Ausbrüchen und Wochen – endtrips gemein ist, ist ihre Begrenztheit. Am Ende der Reise steht die Heimkehr, und die ist, zumindest nach kurzem Wiedersehen mit den Lieben, meist gar nicht frei. Das Studium winkt oder droht. Oder die Arbeit. Oder die Jobcenter-Schikane. Und dann kommt das Erzählen. Man erzählt anderen, man zeigt Fotos herum von den Höhen, die man bewandert, den Partys, die man gefeiert hat, und den Wellen, auf denen man gesurft ist. Doch man erzählt sie auch sich selbst und schwelgt in Erinnerungen an die Freiheit. Das Leben kann so schön sein, denkt man sich, und rettet sich damit über das unschöne Jetzt, den Ernst des Lebens hinweg.

(der ganze Artikel im PDF Format)