Der Rassismus der frühen Jahre

Von Heike Kleffner

Der Rassismus der frühen Jahre

Ein Rückblick zwei Jahrzehnte nach den Pogromen von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen.

Hoyerswerda, das ist doch schon zwanzig Jahre her und im Vergleich zu Rostock-Lichtenhagen doch relativ harmlos ausgegangen. So oder ähnlich lauten die Kommentare von politisch interessierten Mittvierzigern, wenn sie auf die Ereignisse im September 1991 in der ehemaligen sozialistischen Musterstadt mitten in Sachsen angesprochen werden. In wenigen Wochen jährt sich das erste rassistische Pogrom im vereinten Deutschland zum zwanzigsten Mal. Der Einfluss, den die Ereignisse jener September-Woche sowohl auf die extrem rechte Mobilisierung der gesamten 1990er Jahre, als auch auf den Alltag von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten – und damit auch auf die antirassistischen Bewegungen und Selbstorganisierungen in Ost- und Westdeutschland – hatte, wird nach wie vor allzu leicht übersehen. Dabei war es der vielfache Tabubruch von Hoyerswerda, der unter anderen das tagelange Pogrom in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 erst möglich machte.

Beifall beim fluchtartigen Abtransport

Die Fakten sind schnell erzählt. Schon am 11. September traten in Dresden Naziskins die Wohnungstür einer ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiterin ein, verprügelten sie und traten der Schwangeren in den Bauch; kurz zuvor hatte dieselbe Angreifergruppe einen mosambikanischen Mann mit einem Schuss in den Kopf schwer verletzt. Am 17. September 1991 griffen Naziskins dann in der damals noch über 50.000 Köpfe zählenden Stadt in der Lausitz zunächst einige vietnamesische Händler und Händlerinnen auf offener Straße an. Am nächsten Tag griffen dann mehrere Dutzend Naziskins mit Molotow-Cocktails und Steinen ein Wohnheim für ehemalige DDR-Vertragsarbeiter und -arbeiterinnen aus Mosambik und Vietnam mitten in einem der riesigen Plattenbauwohnkomplexe der Stadt an. Die rund 70 Frauen und Männer fürchteten um ihr Leben, denn eine völlig überforderte Polizei ließ die Angreifer weitgehend gewähren – während die Nachbarschaft teilnahmslos zusah, wie sämtliche Fenster des Heims eingeworfen wurden oder gar Beifall klatschte. Die ehemaligen Vertragsarbeiter und Vertragsarbeiterinnen waren mehrheitlich in den 1980er Jahren in die DDR gekommen und hatten im Braunkohletagebaubetrieb VEB Schwarze Pumpe gearbeitet. Ihre Arbeitsverträge mit der Nachfolgegesellschaft Lausitzer Braunkohle AG (LAUBAG) wären frühestens Ende 1991 ausgelaufen. Die meisten der Betroffenen hatten sich aber auf eine frühere Beendigung ihrer Arbeitsverträge eingelassen. Sie bestanden jedoch auf der Auszahlung einer so genannten Rückkehrhilfe in Höhe von 1.500 Euro (damals ca. 3.000 D-Mark), die zu einem Gesamtpaket gravierender Änderungen der Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen für die ehemalige DDR-Vertragsarbeiterschaft gehörte. Diese hatte die letzte DDR-Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière im Rahmen einer Änderung der bestehenden Regierungsabkommen mit den ehemaligen Entsendestaaten Angola, Mosambik und Vietnam, ausgehandelt.

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