„Den Vorwurf mache ich mir“

Von Undine Schmidt

„Den Vorwurf mache ich mir“

Mariusz von der Bike Aid Berlin über hehre Ziele und den nicht immer idealen Weg dorthin

Mariusz, du bist Teil der Initiative Bike Aid Berlin – wer seid ihr und was macht ihr? Wir sammeln in Hinterhöfen herumstehende Fahrräder, die nicht mehr gebraucht werden. Die bringen wir dann in eine Werkstatt und laden zweiwöchentlich Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten ein, sich ein Fahrrad zu basteln. Dabei unterstützen wir sie.

Woher kam die Idee, speziell Fahrräder zu vermitteln? Wir waren ein paar Leute von der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge. Als es dann vor sechs Jahren eine kleinere Kampagne gegen die Residenzpflicht – insbesondere zwischen Berlin und Brandenburg – gab, entwickelte sich daraus die Idee. Die Ressourcen für eine Fahrradwerkstatt waren da, sodass man das gut verknüpfen konnte. Die Menschen, die der Residenzpflicht unterliegen und auch kein Geld für Fahrkosten aufbringen können, haben so die Möglichkeit, von Berlin nach Brandenburg zu kommen oder sich innerhalb von Brandenburg zu bewegen.

Ist das alles so gelaufen, wie ihr euch das vorgestellt habt? Oder hat‘s da mal gehakt? Am Anfang hat‘s gehakt! Zuerst haben wir die Fahrräder komplett vorbereitet und dann verschenkt. Dann haben wir gemerkt, dass die meisten Leute kein Gefühl für die Fahrräder hatten. Als wir nach ein paar Monaten bei dem Flüchtlingsheim waren, standen die meisten verschrottet herum und niemand hat sich um sie gekümmert. Dann erst kam die Idee auf, dass wir die Leute die Fahrräder reparieren lassen, und ihnen dabei helfend zur Seite stehen.

Ich habe mal gehört, dass manche Flüchtlinge die Fahrräder anschließend auch verkauft haben? Also um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, woher du das hast. Wir bei Bike Aid haben uns mal darüber unterhalten und ich kann mir schon vorstellen, dass das mal vorkommt. Es gibt auch Leute, die nach zwei Wochen wiederkommen und sagen: „Mir ist mein Fahrrad geklaut worden“. Das Problem ist, dass wir nicht die besten Schlösser rausgeben. Deshalb müssen wir das eben glauben und in manchen Situationen den Leuten Vorrang geben, die noch gar kein Fahrrad bekommen haben.

Seitdem habt ihr also eure Strategie geändert und das Ganze hat sich positiv entwickelt? Also ich habe schon das Gefühl. Seit wir gemeinsam basteln und reparieren, kommen manchmal auch Leute mit ihren alten Fahrrädern zu uns, weil etwas kaputt gegangen ist. Dann merkt man schon, dass das genutzt wird und es die Leute stört, wenn etwas kaputt ist und sie es reparieren wollen. Wenn du jetzt kritisch zurück – blickst, wo würdest du sagen, war der Denkfehler? Also ich denke, es ist menschlich, dass du mit Geschenken nicht so gut umgehst wie mit Sachen, für die du auch ein wenig Energie aufgewendet hast. Dann ist das ja auch ein Verlust.

(der ganze Artikel im PDF Format)