Das Universum weiß, was gut für dich ist!

Von Claudia Barth

Das Universum weiß, was gut für Dich ist!

Hinter der Esoterik verbergen sich eher paternale Sehnsüchte als paternale Vorgaben. Sie ist eine Einü- bung in Verhaltensweisen moderner Subjektivierungsanforderungen. Sie baut auf die Selbstoptimierungskräfte des Individuums – und lehrt dabei, dass der große Rahmen niemals hinterfragt werden darf. „Der Weg ist das Ziel“ – lediglich eine faule Ausrede dafür, die Hoffnung auf selbstbestimmte Ziele bereits verloren zu haben?

Paternalismus ist nicht nur eine Zumutung. Es ist auch die Sehnsucht vieler Menschen da – nach, dass Mächtigere ihnen wohlmeinend und beschützend den Weg weisen. In den christlichen Religionen drückt sich dies wohl am deutlichsten aus: Es herrscht die Vorstellung eines zur Seite stehenden allmächtigen Papas, der dafür garantiert, dass am Ende alles gut werde. Die Religion spiegelt die Realität der Menschen: wir sind abhängig von den Entscheidungen der Macht – habenden und kämpfen nicht um Selbstbestimmung, sondern hoffen auf positive Fügung. Im Zweifelsfall pochen wir auf die Verletzung der Fürsorgepflicht, die Politik und Wirtschaft uns, den „kleinen Leuten“ gegenüber, erfüllen solle. So hat der Arbeitgeber laut BGB eine „Fürsorgepflicht“ gegenüber seinen Angestellten – gewerkschaftlich erkämpfte Rechte im Gewand paternalistischer Diktion.

Auch das Schicksal will erarbeitet sein

Esoterik ist in den letzten Jahren zu einer Modereligion geworden. Gurus und weise Lehrer wie etwa der Dalai Lama prägen nach außen hin das Bild der Szene und scheinen durchaus die Hoffnung vieler Menschen auf moderne Religionsstifter zu verkörpern: weise und wohlwollende Über-Väter, die sanft aber bestimmt auf den richtigen Weg führen. Auch die grundlegende esoterische Annahme einer großen kosmisch-göttlichen Ordnung, die über die Welt walte und dafür sorge, dass alles Leben letztlich zum Guten und Richtigen hin steuere, lässt die zugrundeliegende Sehnsucht erkennen, dass eine schützende Hand die eigenen Wege behütet. Der esoterische Lehrsatz „Alles, was geschieht, ist gut, weil es geschieht“ bekundet die Überzeugung, dass auch menschliche Niedrigkeiten zu tolerieren sind und lediglich Spielarten einer insgesamt richtigen Ordnung darstellen. Esoterik ist eine Hoffnungsgeberin, die angebliche karmisch-kosmische Gesetze vorschreibt und verspricht, durch ihre Einhaltung zu Glück und Erfolg zu gelangen.

Allerdings ist es nicht einfach, die vorgegebenen Regeln und Gesetze zu erkennen und zu deuten. Hilfesteller dazu sind Gurus, Astrologen und andere, die behaupten, „Einblick“ in die höheren Regeln zu haben. Es wird eine paternale Abhängigkeit hergestellt von jenen, die vorgeben, den Weg weisen zu können und ihre Dienste als „Medium“ dazu anbieten. Gleichzeitig wird in der Esoterik großen Wert darauf gelegt, einer Heilslehre nicht einfach nachzulaufen, sondern der Weg der Erleuchtung wird als permanente Arbeit an der eigenen Person, als Selbstreflexions- und Selbsterneuerungsarbeit beschrieben. Dies macht den zentralen Reiz moderner esoterischer Lehren aus: Eine zugrundeliegende gute und weise Macht wird versprochen. Die konkreten Wege, Heil zu erlangen, werden jedoch dem Individuum als Entdeckungsaufgabe freigestellt. Es erhält vielseitige gut meinende Ratschläge, was es ausprobieren solle, um dem Ziel näher zu kommen.

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