Charter der Schande

Von Hagen Kopp

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Selbst in den härtesten Winterwochen kannten die Abschiebe-Behörden keine Gnade. Während aus ganz Osteuropa Kältetote gemeldet wurden, startete am 7. Februar 2012 vom Düsseldorfer Flughafen eine von Frontex finanzierte Sammelabschiebung in den Kosovo, eine Woche später vom gleichen Ort die nächste nach Serbien. An Bord jeweils vor allem Roma-Familien, die mit aller Gewalt außer Landes geschafft werden sollen. Bereits 2011 war Düsseldorf der deutsche Flughafen mit den meisten „Chartern der Schande“, und nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wurde Ende letzten Jahres beschlossen, im Raum Düsseldorf ein Nobordercamp 2012 auszurichten

Vor nun fast 15 Jahren fand bei Görlitz an der damaligen EU-Außengrenze nach Polen das erste vom Netzwerk kein mensch ist illegal initiierte Grenzcamp statt. Die Wahl der Orte für Nobordercamps quer durch Europa folgt seitdem sicherlich keinem eindeutigen Plan. Doch es ist und war auch kein Zufall, dass – um zwei zeitnahe Beispiele zu nennen – 2009 das Nobordercamp auf der griechischen Insel Lesbos stattfand und im vergangenen Jahr in Bulgarien nahe der türkischen Grenze. Aktuelle oder zu erwartende Brennpunkte der Migrationskontrolle an den Außengrenzen der EU zu Orten des Protests und Widerstandes zu machen, ist Teil einer kontinuierlichen antirassistischen Praxis. Doch genauso nötig und berechtigt ist es, immer wieder gegen die inneren Grenzen der EU aktiv zu werden, und Flughäfen stellen ja quasi die Außengrenzen im Innern dar.

Tatort Flughafen

Ein erstes Grenzcamp an einem Flughafen fand 2001 in Frankfurt statt, im Jahr der G8-Genua-Proteste konnte mit aufsehenerregenden Aktionen eine starke Öffentlichkeit gegen diesen „Tatort der Ausgrenzung und Internierung“ hergestellt werden. 2008 – im Rahmen eines gemeinsamen Antira- und Klima-Camps – wurde der Terminal des Hamburger Airports in eine Protestzone verwandelt, als „Streik von außen“ angekündigt und als „Fluten 3.0“ umgesetzt. Ob und wie das Nobordercamp 2012, das aus logistischen Gründen nahe Köln seine Zelte aufschlagen wird, mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen am Düsseldorfer Flughafen daran anknüpfen kann, ist noch nicht absehbar. Die einleitend erwähnte regelmäßige Nutzung zur Abschiebung von Roma wird dort zum Thema werden. Ein Vorschlag ist, in Form einer Dauermahnwache und mittels einer Fotoausstellung im Terminal das Schicksal und die Lebensbedingungen von abgeschobenen Roma im Kosovo sichtbar zu machen.

Seit eine Mitstreiterin des Aktionsbündnisses gegen Abschiebung Rhein-Main im Januar 2011 mit einem bemerkenswerten Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts das Demonstrationsrecht in Flughäfen und quasi-öffentlichen Orten durchgesetzt hat, kann auch in den Düsseldorfer Flughafen mit offizieller Anmeldung zum Protest aufgerufen werden. Antirassistische Gruppen aus Nordrhein-Westfalen mobilisieren seit letztem Jahr regelmäßig in den Airport, wenn Sammelabschiebungen im Gange sind. Darauf aufbauend soll das Camp im Juli zu möglichst spektakulären Protesten führen, und das hängt nicht zu – letzt davon ab, ob gelingt, was die an der bundesweiten Vorbereitung beteiligten Gruppen an – visieren: einen starken Bündelungspunkt der antirassistischen Bewegung zu schaffen.

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