Alt aussehen lassen

Von Thomas Berthold und Niels Espenhorst

Alt aussehen lassen

Leerstellen in der Debatte um Altersfestsetzungen und die theorielose Diktatur der Pragmatik im Umgang mit jugendlichen Flüchtlingen.

Ein zentrales Thema bei der Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF)1 in Deutschland ist die oftmals umstrittene Festsetzung des Alters. Diese ist für viele junge Flüchtlinge und ihre weiteren Perspektiven in Deutschland entscheidend. Der Zugang zur Jugendhilfe oder die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft ohne individuelle Betreuung sind die sichtbaren Eckpunkte der Konsequenzen.

Ob Schätzung, Festsetzung, Fiktivsetzung oder Messung, schon die verschiedenen Begrifflichkeiten zeigen die unterschiedlichen Ansätze in diesem Feld. Was fehlt ist einerseits ein überzeugendes, am Kindeswohl orientiertes Konzept, wie mit den oftmals nicht nachweisbaren Altersangaben der jungen Flüchtlinge umgegangen werden soll(siehe „Sag mir wie alt Du bist!” in diesem Heft) und andererseits die Beachtung von Leerstellen in der Debatte. Unter Leerstellen fassen wir insbesondere die kritiklose Hinnahme des Begriffs „Alter“ als auch das Fehlen wichtiger theoretischer Perspektiven. Debatten um flüchtlingspolitische Themen zeichnen sich gegenwärtig unter anderen auch durch eine deutliche Theorie-Ferne aus. Eine Diktatur der Pragmatik regiert dieses Themenfeld, kritische Sichtweisen gehen so verloren.

Das Alter der UMF

Im Jahr 2009 sind nach Recherchen des Bundesfachverbandes UMF rund 3000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durch Jugendämter in Obhut genommen worden. Unbegleitete Minderjährige kommen aus verschiedenen Ländern, Hauptherkunftsländer sind gegenwärtig der Irak, Afghanistan, Vietnam und der west- sowie ostafrikanische Raum. Ihre Ziele, Hoffnungen, Wünsche und Bedürfnisse sind sehr verschieden – die einen suchen Schutz, Sicherheit und politisches Asyl, andere haben konkrete Hoffnungen auf ein besseres Leben und gute Bildungsmöglichkeiten. Seit Jahren besteht die größte Problematik im Verhältnis zwischen dem Sozialgesetzbuch (SGB) VIII und dem Ausländerrecht. Noch immer werden die restriktiven Regelungen des Ausländerrechts vielfach denen des Kinder- und Jugendhilferechts vorgezogen, die Übernahme der Altersgrenze von 16 Jahren im Ausländerrecht (§ 12 Asylverfahrensgesetz und § 80 Aufenthaltsgesetz) in das Denken und Handeln von Jugend- ämtern ist das auffälligste Merkmal dieser Konstellation.

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