„Allein der Markterfolg ist der Index…“

Von Till Schmidt

„Allein der Markterfolg ist der Index, das Richtige getan zu haben“

„Die Maxime ,Handle unternehmerisch!’ ist der kategorische Imperativ der Gegenwart“, heißt es in der Studie „Das unternehmerische Selbst“. Kreativität, Flexibilität, Eigenverantwortlichkeit, Risikobewusstsein und Kundenorientierung seien von den Individuen heute in allen Lebenslagen gefordert. Till Schmidt sprach mit dem Autor Ulrich Bröckling über das Diktat fortwährender Selbstoptimierung, Kritik am Kapitalismus und neue Zeitkrankheiten

Herr Bröckling, wen oder was meinen Sie, wenn Sie von der Figur des „unternehmerischen Selbst“ sprechen?

Das unternehmerische Selbst bezeichnet nicht real vorfindbare Personen oder ein statistisch konstruiertes Otto-Normal-Subjekt. Mir geht es mit dieser Gestalt vielmehr um die Weise, in der wir heute angehalten werden, uns selbst zu begreifen, uns zu verhalten, unser Verhalten zu ändern und an uns zu arbeiten. Das unternehmerische Selbst ist ein Leitbild, auf das hin wir modelliert werden und uns selbst modellieren sollen. Es handelt sich bei diesem Subjektivierungsmodus um ein Kraftfeld, einen Sog – ein Ziel, nach dem die Individuen streben, einen Maßstab, an dem sie ihr Tun und Lassen beurteilen, eine tägliche Übung, mit der sie an sich arbeiten, und einen Wahrheitsgenerator, in dem sie sich selbst erkennen sollen. Anders ausgedrückt, das unternehmerische Selbst bezeichnet die Strömung, welche die Menschen in eine bestimmte Richtung zieht, und nicht wie sie sich davon treiben lassen, sie nutzen, um schneller voranzukommen, oder aber versuchen, ihr auszuweichen oder gegen sie anzuschwimmen

Was zeichnet unternehmerisches Handeln aus?

Es gibt vier Grundfunktionen unternehmerischen Handelns. Erstens verlassen Unternehmerinnen und Unternehmer ausgetretene Pfade. Sie brechen mit vertrauten Routinen und gehen neue Wege. Sie sind innovativ und agieren als „schöpferische Zerstörer“, wie Joseph Schumpeter das genannt hat. Zweitens zeichnen sich Unternehmer durch ihre Findigkeit aus. Sie besitzen ein Gespür für Gewinnchancen, also für jene Gelegenheiten, wo sich etwas billig kaufen und teuer verkaufen lässt. Der dritte Aspekt unternehmerischen Handelns ist die Risikobereitschaft. Unternehmer sind nicht nur Buchhalter, die Kosten und Nutzen genau berechnen und alles kalkulieren, sondern auch dazu bereit, Wetten auf die Zukunft einzugehen. Sie wagen sich ins Ungewisse. Viertens koordinieren Unternehmer den Ablauf von Produktion und Vermarktung. Sie tragen das Geschäftsrisiko und die Verantwortung.

Was alle diese unternehmerischen Aktivitäten eint, ist ihre Entgrenzungs- und Überbietungslogik. Unternehmerisches Handeln steht unter dem Diktat des Komparativs: Man muss nicht nur gut, sondern besser als die Konkurrenz sein. Nicht eine festgesetzte Leistungsnorm, sondern allein der Markterfolg ist der Index, das Richtige getan zu haben. Und da die Konkurrenz nicht schläft und man Erfolg auf den Märkten immer nur für den Augenblick hat, muss man alles dafür tun, um innovativer, findiger, wagemutiger, selbstverantwortlicher und führungsbewusster zu sein als die anderen. Was heute ein Erfolgsrezept ist, ist morgen möglicherweise schon der sichere Weg in die Pleite. Man darf sich nicht ein einziges Mal darauf ausruhen, irgendwann einmal etwas erreicht zu haben, besondere Fähigkeiten erworben zu haben, bestimmte Dinge geleistet zu haben. Es herrscht ein permanenter Wettbewerb, der sich auf alle Lebenslagen erstreckt. Stets sollen Alleinstellungsmerkmale entwickelt werden, um sich von den Mitbewerbern abzusetzen.

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